Freitag, 22. August 2008

Alte Ergebnisse neu aufgelegt: Butterworth und das Zahlengedächtnis

Bildquelle Pixelio: (c) Gabi Schoenemann
In diesen Tagen geht es wieder mal durch die Presse:
Aborigines-Kinder zählen auch ohne Zahlwörter
The independence of language and mathematical reasoning
Dabei sind diese Erkenntnisse bereits 10 Jahre alt. Eigentlich ein Skandal, dass Wissenschaftler glauben, das "Rad" wieder neu erfunden zu haben. Obwohl die Autoren über "alte" gleichlautende Erkenntnisse Bescheid wissen müssten, werden die "neuen" Nachrichten mit großem Mediengeschrei verbreitet.

Vor 10 Jahren war es unter anderem Stanislas Dahaene, welcher mit seinen Studien zum Zahlenbegriff und zu Hirnprozessen bei der Lösung mathematischer Aufgaben Furore machte. In diesen Tagen ist nun "Butterworth" populär. Dabei gingen und gehen die Studien anderer Autorengemeinschaften weit über das hinaus, was nun kräftig medial vermarktet wird....

Am 16.05.1999 war in der schweizerischen Sonntagszeitung unter anderem zu lesen:

Kinder haben einen Zahlensinn, lange bevor sie rechnen können

Dass Fingerbewegungen und der nichtsprachliche Zahlensinn am gleichen Ort gespeichert sind, erklärt manches: So benutzen Säuglinge auf der ganzen Welt schon ab einem Alter von sechs Monaten ihre Fingerchen, um Änderungen in der Anzahl von Objekten festzustellen. Sie haben einen Zahlensinn, lange bevor sie sprechen können, und sind in dieser Phase den Rhesusaffen, Schimpansen, Vögeln und Ratten ähnlich, die solche simplen «Rechnungen» ebenfalls beherrschen.

Mehr hier:Für das Hirn ist Mathematik mehr als bloss rechnen

Donnerstag, 17. Juli 2008

Presseinformation: Forschungen zum Thema Alter und älter werden...

Sind Alterungsprozesse tatsächlich unumgänglich, werden wir automatisch vergesslich und unser Körper versagt hier und da die Dienste oder geht es auch anders? Was weiß die heutige Forschung über das Alter und das älter werden?

Im Spektrum Dossier wird gezeigt, was die moderne Forschung zu diesen Fragen weiß:

Spektrum Dossier 4/2008
Hundert Jahre und mehr?
Geheimnisse eines langen Lebens


Alt werden möchte fast jeder, alt sein dagegen kaum jemand. Anti-Aging hat daher Konjunktur, ein Jungbrunnenelixier existiert aber noch nicht. Wie stehen inzwischen die Chancen, Alterung und Langlebigkeit beim Menschen deutlich zu beeinflussen?
Dieses Spektrum-Dossier beleuchtet den steinigen Weg der Forschung – und einige viel versprechende Fortschritte.(Pressemitteilung der Redaktion Spektrum der Wissenschaft)


Einige frei zugängliche Beiträge zum Thema:

Alter muss nicht zu Demenz führen
In die Jahre gekommen
Alzheimer

Übersicht der Themen im Heft:
Altern Was passiert, wenn wir in die Jahre kommen?

Presseinformation: Kindesentwicklung Gehirn& Geist Serie

Was Wissenschaftler und Experten über die frühkindliche Entwicklung und Bildung zu sagen haben:

G&G Serie Kindesentwicklung 2

Was Kleinkinder brauchen Optimale Förderung bis zum 5. Lebensjahr

Spätestens seit "Pisa" befürchten viele Eltern, dass eine Kindheit ohne gezielte Förderung ihre Kinder nicht mehr gut genug auf die Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft vorbereitet. Und angeblich lernt ein Kind ja nie wieder so leicht wie in den ersten Lebensjahren. "Frühkindliche Bildung" lautet daher das Zauberwort, das Politiker der Bildungsmisere entgegenhalten und bei Eltern und Kinder oft zu einem vollen Terminkalender führt. Ist diese "Förderwut" tatsächlich das Richtige für unsere Kinder? (Presseinformation der Redation Gehirn & Geist)
Ich gratuliere Frau Rabea Rentschler, Redakteurin bei Gehirn&Geist, die als beste Nachwuchsjournalistin mit dem European Writers Award am 21. Juli in Barcelona ausgezeichnet wird.

Mittwoch, 4. Juni 2008

Neurodidaktik contra Neuropädagogik? Theorie contra Praxis ?

Dr. Menno Baumann, Erziehungswissenschaftler (Lehrbeauftragter an der Universität Oldenburg) und Kollege, hat sich im Rahmen seines sonderpädagogischen Studiums und seiner Dissertation mit den Errungenschaften der Neurowissenschaften auseinander gesetzt.

Im Gehirn&Geist-Heft Nr. 3/2008 (Titelthema: Mit Begabung zum Erfolg) zeigt Menno Baumann an zwei Beispielen, dass sich neurowissenschaftliche Erkenntnisse nicht linear in pädagogische Situationen "übersetzen" lassen: Macht Hirnforschung Schule? Schön wär’s!Abbildung aus dem Skript einer Lehrveranstaltung von Dr. Baumann: Theorie und Praxis (Power-Point)

Auch Dr.Baumann "stolpert" über das Problem, dass sich neurowissenschaftliche Erkenntnisse nicht in einem 1:1-Verhältnis auf pädagogische Situationen übertragen lassen. Menno Baumann kennt die alltägliche Schulpraxis. Als Sonderpädagoge durfte er sich besonderen Herausforderungen stellen. So kennt er auch das Problem aller Lehrkräfte: "Grau ist (zunächst) die Theorie"........

Viele pädagogische Theoretiker haben leider den Bezug zur "Basis" verloren. Ihr Blick aus dem Elfenbeinturm, fernab jeglicher pädagogischer Praxis ist oft lebensfremd.

Prof. Ulrich Hermann, Herausgeber des im Beltz-Verlag erschienen Bandes "Neurodidaktik" schrieb einen Leserbrief zum kurzen Beitrag von Menno Baumann:

» Leserbriefe Heft 5/2008

Leider bleibt Prof. Hermann darin die Antwort schuldig, inwiefern die Neurowissenschaften das Lernen verändern können. Auch im Buch finden sich keine zweifelsfreien Belege, sondern vielmehr oberflächliche Verallgemeinerungen und Übertragungen "behaupteter" - jedoch noch unbewiesener neurobiologischer Erkenntnisse. Auch bleibt das Buch dem Leser die Erkenntnis schuldig, welche neuen, noch unbekannten Erkenntnisse die Neurowissenschaften dem Didaktiker in der Praxis bieten.

Damit ich Ihnen nicht auch nur einen Zirkelschluss (d.h. vereinfacht gesagt: eine Feststellung, welche eine Feststellung begründet) biete, werde ich in meinem nächsten Beitrag konkret auf das Buch und seine "neurodidaktischen" Aussagen eingehen.

Die Pädagogische Psychologie und die empirische Lehr-und Lernforschung mit ihrer Nähe bzw. ihrem Verständnis der pädagogischen Praxis hat weit mehr zu bieten. Leider ignorieren theoretisch arbeitende Erziehungswissenschaftler diese Erkenntnisse seit Jahrzehnten, so dass es nicht verwundert, wenn altbekannte psychologische Erkenntnisse nach dem Fund einer neurobiologischen Entsprechung als Neuheit gefeiert werden.......

Weiterführende Links:
Weiterführende Literatur:

Montag, 5. Mai 2008

"Überraschung" interdisziplinär betrachtet.......

Bildquelle Pixelio: (c) Erich Kasten
Warum gibt es Dinge, welche wir uns nach einem einmaligen Ereignis auf Dauer merken können ? Aber das, was wir uns merken sollten, vergessen wir zu unserem Leidwesen allzu schnell wieder ?

Stellen Sie sich vor, Sie sind unterwegs mit einem Freund. Sie besprechen gerade einen Vortrag, welcher von ihrem Freund vor einem größeren Publikum gehalten werden soll. Sie kommen an dieser Unfallstelle vorbei und müssen warten. Eine unerwartete, überraschende Situation. Die Feuerwehr muss den eingeklemmten Fahrer befreien. Ihre und die Aufmerksamkeit Ihres Freundes gilt in diesen Momenten alleine dieser Situation.

Die Polizei leitet den Verkehr um und die Unfallsituation gerät aus
Ihrem Blickfeld. Nach einer Weile kommt das Gespräch wieder auf den Vortrag Ihres Freundes mit dem Thema "Verkehrsunfälle nach Discobesuchen in Verbindung mit Alkohol"...........

Vier Wochen später:
"Weißt Du noch...als wir auf der Fahrt zu Deinem Vortrag waren...der Unfall.....dass Dein Freund John der Unfallfahrer war, tot, weil er nach einer durchfeierten Nacht die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hat...das hat die Zuhörer Deines Vortrages doch sehr betroffen gemacht. Irgendwie makaber .....aber Deine Zuhörer haben den Saal dieses Mal viel nachdenklicher verlassen, als sonst...."

Sie werden vermutlich diesen Blogbeitrag, wie die Zuhörer den Vortrag, besser behalten als andere "alltäglichere" Blogbeiträge.....

Warum? Was passiert in unserem Kopf, dass Überraschungen und besondere Ereignisse so nachhaltig "wirken"?

Ich habe den Rat von Daniela Fenker und Hartmut Schütze befolgt und meinen Bericht über das
Titelthema im neuen Gehirn&Geist Heft Nr. 5/2008: "Mit Überraschungen lernt sich's besser" mit einer "Überraschung" begonnen:
Die Autoren forschen über den Einfluß emotionaler Reize auf die präfrontale Gedächtniskontrolle an der Otto-von -Guericke-Universität Magdeburg
und erklären anhand Ihrer Ergebnisse aus der Hirnforschung, dass Neuheit die Langzeitpotenzierung im Hippocampus fördert, auch wenn nach deren Präsentation einige Zeit verstrichen ist! Das bedeutet also, dass Überraschendes und Neuigkeiten, dass Gedächtnis befähigen nachfolgende Dinge ebenfalls besser merken zu können. Die Autoren schlagen daher vor, dass Pädagogen zuerst das Neue und Unbekannte präsentieren und erst dann den alten Stoff wieder durchgehen.

Links zum Thema "Überraschung"

Soweit die neurowissenschaftliche Sicht. Für Erziehungswissenschaftler ergeben sich für die "Verwertung" neurowissenschaftlicher Forschungsergebnisse grundsätzliche Probleme. Denn erzieherisches und unterrichtliches Handeln findet in komplexen Zusammenhängen und Beziehungen statt. Unterrichtliches Handeln z.B. geschieht in vorstrukturierten Kontexten. Rita Kohnstamm bezeichnet daher schulisches Lernen als "kalte" Kognition. (Näheres dazu siehe auf der Webseite Neuropädagogik:" Guter (Schul-)Unterricht" und "Anforderungen an das Kind bei Schuleintritt")

Seien wir uns darüber im Klaren, dass im Augenblick die neurowissenschaftliche Erforschung von Emotionen und seine Bedeutung für das Lernen noch ganz am Anfang steht.

Die möglichen Versuchsanordnungen, welche mit Hilfe bildgebender Verfahren (bei erstaunlichen 3 Tesla) umgesetzt werden, beschränken sich nur auf Teilaspekte menschlichen Erlebens und Handelns . Oft bekommen Forscher "nur" ein neurobiologisches Korrelat für bereits vorhandene, empirisch bestätigte psychologische Theorien. Neurobiologische Ergebnisse liefern wichtige und ergänzende Details. Die Forschungsarbeit ist mühsam und aufwendig.
Große "Würfe" im Hinblick pädagogischer Verwertungsinteressen sind nicht zu erwarten. Die Aufgabe der Biologen beschränkt sich - aus Sicht eines Pädagogen und Psychologen - im Moment hauptsächlich auf die Suche nach naturwissenschaftlichen Korrelaten psychologischer Theorien. Diese sind komplex und im Labor der Neurowissenschaftler nur mit sehr viel Ideenreichtum und intelligenten Versuchsanordnungen in Teilen abbildbar. Die Forschung sammelt quasi Mosaikstein für Mosaikstein in der Hoffnung, dass zunehmend das Zusammenspiel verschiedener Hirnstrukturen geklärt werden kann.

Der "Ertrag" für das alltägliche pädagogische Handeln könnte deutlich gesteigert werden , wenn Neurowissenschaftler in ihren weiter gehenden Forschungen Psychologen und Pädagogen mit einbeziehen würden. Denn z.B. selbst der gutgemeinte Rat, das Lernen mit einer Überraschung zu beginnen, kann in besonderen Konstellationen völlig daneben gehen:

Welche "Varianten" an Neuem und Überraschendem sind möglich?

Die Begriffe Neues und Überraschung sind eigentlich "wertfrei". Neu ist, was unbekannt ist. Da unser Gehirn jede Reizaufnahme über einen "emotionalen Filter" vornimmt, wird alles "Neue" einer unvermittelten Bewertung unterworfen, so dass eine Überraschung selten "bewertungsfrei" unser Aufmerksamkeitssystem passiert.

Abb.: M. Armand-vereinfachtes Modell von Lern-undBehaltensprozessen nach Prof.Dr. Markowitsch

Unser Gehirn steuert den Wahrnehmungsprozess über einen „emotionalen Filter". Jede eingehende Information erfährt dabei eine Überprüfung ihres emotionalen Gehaltes. Sämtliche wahrnehmbaren Reize unterliegen einer solchen Überprüfung. Hier liegen z.B. auch die Ursachen dafür, wenn bestimmte subjektiv hoch bedeutungsvolle Informationen nahezu ohne Umwege direkt im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden: die emotionale Bewertung „hochwichtig“ führt zu einer stärkeren und längerandauernden Erregung der Nervenpotentiale, sog. Langzeitpoteniale (LTP). Es wird angenommen, dass LTP’s oder mehrfache neuronale Erregungen zu der Bildung von „Gedächtnismolekülen“ führen, welche für das Langzeitgedächtnis verantwortlich sind. Weniger bedeutsame Informationen, d.h. mit z.B. neutraler emotionaler Bewertung, werden hingegen erst durch mehrfaches’wiederholen,’behalten...
Ausführlich: Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeit II und Aufmerksamkeit III

Eine "Überraschung" kann so groß sein, dass sie zur Reizüberflutung (ad 1.) führt, oder sie kann Angst, Furcht (ad 2.), oder intensive Ablenkung (ad 3.) aber auch überschwängliche Freude (ad 4) verursachen. Oder es kann schlicht eine interessante "Neuigkeit" sein, etwas, was unsere Neugierde (ad 5.) weckt, weil wir es noch nicht kennen.

Zunächst stellt sich jedoch die Frage, was eine "Überraschung" auslöst?
Aus der Säuglingsforschung wissen wir, dass "Neues" eine sogenannte "Orientierungsreaktion" verursacht. Nach einer gewissen Zeit tritt ein Gewöhnungseffekt ein, welcher Habituation genannt wird. Man weiß, dass sich der Mensch auf diese Art und Weise physisch und psychisch seine Umwelt aneignet. Die Orientierungreaktion ist nach Sokolov (1963)* ein integrativer Teil des komplexeren explorativen Verhaltens (Bsp: Jemand betritt ein Lokal und alle vorhandenen Gäste schauen kurz auf.)
*SOKOLOV, E.N. (1963). Perception and the conditioned reflex. New York: Mc Millan.

Dann stellt sich die Frage, welche "Varianten" an Neuem und Überraschendem möglich sind:

ad 1.) Das Unbekannte kann so überwältigend sein, dass eine Reizüberflutung zustande kommt. Glücklicherweise gibt es Nervenzellen, welche eine solche Überflutung verhindern:

Zitat aus dem Pressebericht zur Studie:
In den Nervenzellen der Hirnrinde werden sowohl Impulse aus den Sinnesorganen als auch Erinnerungen verarbeitet. Berner Forscher haben herausgefunden, dass Nervenzellen auch als «Unterdücker» von bestimmten Impulsen fungieren. Ohne diese hemmende Funktion wäre unser Gehirn von den dauernden Informationsströmen überfordert. Die Forschungsergebnisse wurden als Titelgeschichte in der renommierten Fachzeitschrift «Neuron» publiziert.
weiter mit dem Kurzbericht (dt.) der Studie: hier
PDF (engl.)der Studie: The GABAB1b Isoform Mediates Long-Lasting Inhibition of Dendritic Ca2+ Spikes in Layer 5 Somatosensory Pyramidal Neurons . Neuron , Volume 50 , Issue 4 , Pages 603 - 616E . Pérez-Garci , M . Gassmann , B . Bettler , M . Larkum PDF (955 K)


ad 2.) Oder: Überraschungen können angst- oder furchtauslösend sein und entsprechende "Flucht"- und "Abwehrreaktionen" auslösen. (->Amygdala -> Stressstudien)
siehe "Physiologische Stressmodelle" aus dem Beispielkapitel der Medi-Learn Skriptenreihe "Psychologie 1- Methodische Grundlagen und biopsychologische Modelle" von Franziska Dietz: hier als PDF-Datei

wissenschaft.de vom 04.04.2007 - Hirnforschung Wie das Gehirn die Notbremse zieht

Das Gehirn besitzt eine eingebaute Notbremse, um Tätigkeiten oder Bewegungen plötzlich abbrechen zu können: Sie besteht aus drei weit voneinander entfernt liegenden Hirnregionen, die über Hochgeschwindigkeitsdatenkabel aus Nervenfasern miteinander verbunden sind, haben amerikanische Wissenschaftler entdeckt. Das ermöglicht einen schnellen Informationsaustausch und damit eine rasche Kontrolle des Verhaltens, wie sie etwa bei einer unerwarteten Gefahrensituation im Straßenverkehr nötig ist.

weiter hier: Wie das Gehirn die Notbremse zieht

ad. 3.) Oder: Überraschungen können die gesamte Aufmerksamkeit ausschließlich auf das Neue lenken:
und damit auch vom eigentlichen Thema ablenken. Denn das Neue bindet unser Aufmerksamkeitssystem:


Karikatur (c) Marie Marcks
„Aufmerksamkeit ist eine gerichtete Informationsaufnahme- und Aktionsbereitschaft. Diese führt zur Unterdrückung irrelevanter Informationen und Handlungen bzw. dient zur Unterscheidung zwischen relevanten und irrelevanten Informationen. Entsprechend ermöglicht gezielte Aufmerksamkeitssteuerung bessere Lern- und Arbeitsprozesse sowie Gedächtnisleistungen.“ Vgl. Maier, K., Ambühl-Caesar, G., Schandry, R. (1994), Seite 142,Entwicklungspsychophysiologie, Beltz Psychologie Verlags Union, Weinheim
Da "Überraschung" Relevanz erzeugt, führt eine thematisch abweichende Neuigkeit weg vom eigentlichen Aufmerksamkeitsziel.
Ausführlich: Aufmerksamkeitssysteme, Informationsverarbeitung und Verhaltenssteuerung aus neuropsychologischer Sicht


ad 4.) Oder: Überraschungen können überschwängliche Freude (->auch: Flow-Erleben) auslösen
Deci (2001) point out that people high in happiness or subjective well-being tend to have attributional styles that are more self-enhancing and more enabling than those low in subjective well-being, suggesting that happiness can lead to positive cognitions which in turn contribute to further happiness...[....]......Compared with individuals in negative or neutral mood states, subjects in a positive mood state have a broader focus of attention (“see the bigger picture”) (Gasper & Clore, 2000) and generate many more ideas in problem-solving tasks (Fredrickson & Branigan, 2005) - Zitat Seite 6*
Ausführlicher (in engl.) hier:

*Positive emotions and cognition: developmental,neuroscience and health perspectives
Felicia A Huppert
,Department of Psychiatry, University of Cambridge
Erschienen in: Hearts and minds: Affective influences on social cognition and behavior.
Psychology Press, New York. Proceedings of the 8th Sydney Symposium 2005. (Convened by Joseph P. Forgas).

Besonders interessant ist die Schlussfolgerung, dass positive Emotionen zu einer höheren Aufmerksamkeit führen. Siehe auch das PDF zum Flow-Erleben gem. Mihalyi Csikszentmihalyi (dt.)

ad 5.) Die Überraschung kann schlicht eine interessante "Neuigkeit" sein, etwas, was unsere Neugierde weckt, weil wir es noch nicht kennen.....

Eine Neuigkeit bindet Aufmerksamkeitsressourcen am Besten, wenn sie einen "mittleren" Erregungsgrad besitzt. Wird dieses Maß überschritten lässt die verbesserte Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit wieder nach: Yerkes-Dodson-Gesetz (1908)*: Grafik siehe rechte Seite (www.nwlink.com/~donclark/hrd/history/ydlaw.gif)
Ausführlich bei Don Clark hier: Yerkes-Dodson Law: Arousal and Learning(engl.)

Pädagogische Implikationen:
Auch wenn oben einige Varianten an möglichen "Überraschungen" aufgezählt wurden, so bilden auch diese nur einen kleinen Ausschnitt ab. Insbesondere damit verbundene Fragen aus der Motivations- und Emotionspsychologie sind unbesprochen geblieben.

Eltern, Erzieher und Pädagogen nützt dieses Wissen als "Hintergrundwissen" und "Reflexionsbasis" für konkrete Situationen.

Bereits beim Versuch einer Implementierung von "Überraschungen" in den pädagogischen Alltag, kommen zahlreiche Faktoren zum Tragen, welche die "Überraschung" beeinflussen. So spielen z.B. darüber hinausgehende Emotionen im Lernprozess ebenfalls eine große Rolle. Nur ein kleiner Teil davon wurde oben kurz angeschnitten. "Leider scheint es ebensoviele Emotionsdefinitionen wie Emotionstheorien zu geben" (Zitat S. 298, Klaus R. Scherer in Stroebe & Koll. "Sozialpsychologie, Springer 1996).

Ein Beispiel aus der Praxis:
Beim Betreten des Klassenzimmers wird deutlich: ein paar Schüler streiten heftig und die Emotionen kochen darüber hoch. Es versteht sich von selbst, dass diese Klasse gar nicht in der Lage ist eine unterrichtsbezogene Neuigkeit "aufzunehmen". Auch führt das Erleben jener Auseinandersetzung nicht zu einer verbesserten "Lernfähigkeit" des nachfolgenden Lehrstoffes, denn
gemäß -> Garcia&Koelling und Kamin*, müssen Reize miteinander in Verbindung stehen, damit etwas gelernt wird.
Daher muss die Lehrkraft zunächst die Streitigkeit schlichten und die Schüler beruhigen. Nur so wird die Schulklasse in der Lage sein, die von der Lehrkraft vorbereitete, unterrichtsbezogene "Überraschung" auch als "Überraschung" wahrzunehmen.
oder:
Das eingangs von mir im Beitrag verwendete Beispiel lenkt die Seminarteilnehmer deshalb nicht ab, weil das Beispiel als "Überraschung" den Vortragsinhalt besonders hautnah verdeutlicht .......

Ein weiteres Beispiel aus der Werbung:
Werbebotschaften, welche mit Überraschungen so überladen werden, dass der Zuschauer später nur noch die Überraschungen, aber nicht mehr das beworbene Produkt erinnert, zeigen, dass der Kontext einer Überraschung unbedingt beachtet werden sollte. (-> Reizüberflutung -> Inhibition)

Und noch ein Beispiel aus der Zauberkunst:
Zauberer können Zuschauer täuschen, weil diese Kenntnis über die bestehenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten haben. Kinder sind nicht so leicht zu täuschen, weil für sie der Bruch physikalischer Gesetzmäßigkeiten nichts Besonderes ist. Sie können sich Erklärungsmöglichkeiten vorstellen, welche für Erwachsene undenkbar sind. So gelingt die "Überraschung" durch Zauberkunst bei Erwachsenen sehr viel besser, als bei kleineren Kindern....


Vertiefende Informationen:

"Die evolutionäre Bedeutung von Emotionen"
In:Klaus R. Scherer in Stroebe & Koll. "Sozialpsychologie, Springer 1996 S. 301
Emotionen und Behaviorismus (PDF - dt.)

In englischer Sprache:

Bunzeck, N., Duzel, E.
:
Absolute Coding of Stimulus Novelty in the Human Substantia Nigra/VTA
In: Neuron 51(3), 2006, S. 369-379.

Lisman, J. E., Grace, A. A.
:
The Hippocampal-VTA Loop: Controlling the Entry of Information into Long-Term Memory
In: Neuron 46(5), 2005, S. 703-713.

Garcia, J. and Koelling, R.A. (1966)
Relation of cue to consequence in avoidance learning. Psychonomic Science, 4, 123
In Psychonomic Science, 4, 123-124

Yerkes, R.M. & Dodson, J.D. (1908).
The Relationship of Strength of Stimulus to Rapidity of Habit Formation.
Journal of Comparative Neurology and Psychology.
, 18, 459-482.

Garcia & Koelling (1966) Conditioned Taste Aversion (CTA). *. Typical CTA Procedure. Avoidance ...Garcia & Koelling (1966). “Bright Noisy Water Experiment” ... (ppt-Datei, engl.)


Neurobiology of Learning and Memory Dateiformat: Microsoft Powerpoint - HTML-Version

Early Attention: A Study of the Underlying Mechanisms

For english speaking readers I can recommend the sites of Don Clark:
Yerkes-Dodson Law: Arousal and Learning

Freitag, 21. März 2008

Sehwahrnehmung - optische Täuschungen Forts.

Dieses Video fängt mit einer ähnlichen "kippenden" Sehwahrnehmung an, wie wir dies beim "Spinning girl" hatten. Im Video wird dazu einiges erklärt:

Optische Täuschungen - MyVideo

Die Welt der optischen Täuschungen ist rätselhaft und faszinierend zugleich. Sie zeigt uns auch zu welchen großen Leistungen alleine unsere visuelle Wahrnehmung (=Sehwahrnehmung) fähig ist. Wie wir ständig fehlende Informationen, welche durch die Zweidimensionalität auf dem Bildschirm oder dem Papier, ständig ergänzen, so dass wir das Bild in eine "real" wirkende räumliche Vorstellung bringen.

Andere Experimente im Video entstehen durch eine gewisse Trägheit unserer Nervenzellen im Sehsystem.
Zur Spirale erklärt Michael Bach:
http://www.michaelbach.de/ot/mot_adaptSpiral/index.html (engl.)
http://www.michaelbach.de/ot/mot_adaptSpiral/index-de.html(dt.)

Und hier noch das Experiment mit dem Farbpunkt:
http://www.michaelbach.de/ot/col_lilacChaser/index.html(engl.)
http://www.michaelbach.de/ot/col_lilacChaser/index-de.html(dt.)

Hinweis: Die englische Erklärung von Michael Bach ist um einiges ausführlicher ;-)

Das Geheimnis wird gelüftet: The spinning girl ;-)

Hier wird die Illusion mit Hilfslinien auf die verschiedenen Wahrnehmungsrichtungen "festgelegt": http://ofb.net/~whuang/imgs/spin/

Anbei findet man die ausführliche Erklärung zum "Spinning girl". Wie ich dabei feststellen musste, wurden hier Urheberrechte durch andere verletzt (da wohl das Copyright entfernt

(c) Nobuyuki Kayahara 2003

worden war) Das Original und die zugehörige Webseite: http://www.procreo.jp/labo/labo13.html. Michael Bach verweist auf die Herkunft des Originals und erklärt, wie diese optische Illusion funktioniert. Offenbar kann man selbst beeinflussen, in welcher Drehung man das Mädchen wahrnimmt.

Ausführliche Erklärung und weitere Links gibt es hier:
http://www.michaelbach.de/ot/sze_silhouette/index.html

Michael Bach:
Our brain tries to reconstruct the third dimension (space) from the flat image in our eyes, adding information which is usually realistic, but not really there. And in the case of a silhouette, there are two equally likely interpretations.
Unser Gehirn versucht die dritte (räumliche) Dimension des zweidimensionalen Bildes herzustellen. Dazu verwendet es Information welche zwar realistisch sind, aber vom zweidimensionalen Bild nicht geliefert werden. Es wird von unserem Erfahrungsschatz, d.h. der Vorstellung eines tanzenden Mädchens, automatisch ergänzt. Weil diese Ergänzung in unserem Gehirn "konstruiert" wird, gibt es auch zwei mögliche Interpretationen.

Außerdem räumt Michael Bach ebenfalls mit der seit ca. Mitte 2007 im Internet kursierenden Interpretation dieser optischen Illusion, als Ausdruck der sog. Lateralisationshypothese (d.h. die Behauptung unterschiedlicher Aufgaben der beiden Hirnhälften und der Dominanz einer Hemisphäre) auf.

Er hat selbst Versuche dazu gestartet und festgestellt, dass die Festlegung auf eine Richtung 50:50 unabhängig vom Geschlecht verteilt ist. Würde die Lateralisationshypothese zutreffen, müsste eine Richtung deutlich überwiegen ;-)

Leider wird diese optische Illusion immer wieder auch als Bestätigung der sog. "Hemisphärenlateralisation" des Gehirns herangezogen. Diese Annahmen finden allerdings in der aktuellen Hirnforschung keine Bestätigungen. Siehe auch:
The spinning girl oder was Wissenschaftler" aus einer optischen Illusion "basteln"

Samstag, 8. März 2008

The spinning girl oder was Wissenschaftler" aus einer optischen Illusion "basteln"

Quelle: (c) Nobuyuki Kayahara 2003 ( www.procreo.jp)
Diese optische Illusion darf, neben anderen "Beweisen" für die Existenz der sog. Lateralisationshypothese (angeblich völlig unterschiedliche Funktionen beider Hirnhälften) herhalten.
Schauen Sie sich die Bewegung lange genug an. Dreht sie sich im Uhrzeigersinn, oder gegen den Uhrzeigersinn? Die meisten Beobachter beantworten diese Frage mit einem "sowohl - als auch".
Allerdings nicht jedem scheint es so zu gehen und "schwupps" werden überholte "Hypothesen" wiederbelebt:
Rechte vs linke Gehirnhälfte

Keiner weiß woher, warum weshalb - nun es steht als Nachricht in der Online-Ausgabe der "Herald Sun". Können Kinesiologen und Freunde anderer, unter anderem kommerzieller Lernschulen, nun aufatmen?
Sehen Sie die Tänzerin in einer Drehung im Uhrzeigersinn oder gegen den Uhrzeigersinn?
Im Uhrzeigersinn -> Sie nutzen vor allem die rechte Gehirnhälfte
Gegen den Uhrzeigersinn -> Sie nutzen vor allem die linke Gehirnhälfte
(Zitat aus: Original: http://www.news.com.au/heraldsun/story/0,21985,22556281-661,00.html, sowie dt. Übersetzung hier: http://psychologie-news.stangl.eu/?p=120)

Wer mitmacht, kommt allerdings eher zu dem "Ergebnis", dass er beide Hirnhälften benutzt: denn nach einer Weile dreht sich die Figur auch in die andere Richtung.......Was ist geschehen?

Was bei dieser optischen Illusion innerhalb unserer beiden Hirnhälften geschieht, können nur weitere Forschungen zutage fördern......Im Augenblick ist es nichts mehr und nichts weniger als eine "Optische Illusion", denn erforscht wurde diesbezüglich noch nichts ;-)

Behauptung einer individuell dominierenden Hemisphäre samt Testung

Auch hier werden Annahmen über die Funktionsweise der Hirnhälten geäußert, welche allerdings mit wissenschaftlich belegten Ergebnissen nicht in Einklang stehen. Dem Erfindungsreichtum über das, was die rechte und linke Hirnhälfte angeblich unterscheidet und wie man dies therapiert, scheint keine Grenzen gesetzt. Wobei dann auf der Basis noch eine eigene Methode (Nathal-Methode) kreiert wird, welche sich sogar zu "Geistheilung", zu Gehirn-Kontakten mit Engeln, bei Lernstörungen etc. helfen soll.....
Auch hier wird wohl mehr der Wunsch zur Wirklichkeit: Darstellung einer angeblich klaren Aufgabenteilung der beiden Hemisphären
Auch hier gibt es eine vereinfachte Darstellung, wie angeblich die beiden Hirnhälften miteinander agieren und Aufgaben übernehmen
Hier wird auf eine deutliche Aufgabenteilung der beiden Hirnhälften abgestellt: klar und einfach
Und hier werden Informationen aus dem Internet zusammen getragen und daraus gleich pädagogische Schlußfolgerungen gezogen, begründet mit der Annahme, wie die beiden Gehirnhälften funktionieren könnten.
Das "Wissensarchiv" im Internet hält ebenfalls eine "abenteuerliche" Theorie bereit. Im Übrigen scheint dies eine Plattform zu sein, wo jeder, welcher sich dazu befähigt fühlt "Wissen" präsentiert .

Hierzu stehen die ausführlichen Recherchen zum Thema "Lateralisation" von Elkhonon Goldberg in völligem Widerspruch. Goldberg hat in seinem Buch zahlreiche Studien zusammengetragen und ausführlich referiert:


Elkhonon Goldberg
Die Regie im Gehirn
Wo wir Pläne schmieden und Entscheidungen treffen
ISBN 978-3-935767-04-0, 1. Aufl. 2002, 341 Seiten, 22 €
Verlagsinformationen zum Buch
Buchbesprechung
Die Regie im Gehirn - Wo wir Pläne schmieden und Entscheidungen treffen

Sein FAZIT mit "poetischem" Charakter:
"Das Orchester des Gehirns scheint in zwei Instrumentalisten-Gruppen aufgeteilt zu sein.

Die auf dem rechten Flügel sitzen, sind schneller, was die Aneignung eines neuen Repertoires angeht, aber auf lange Sicht betrachtet erlangen die Instrumentalisten auf der linken Seite, wenn sie entsprechend proben, eher den Zustand der Perfektion.
In der Analogie zu einem Wirtschaftskonzern besteht die Organisation des Gehirns aus zwei Abteilungen: eine beschäftigt sich mit neuen Projekten, die andere kümmert sich um eingeführte, bestehende Produktlinien.

Tatsächlich ist jede der beiden Hemisphären bei allen kognitiven Prozessen involviert, aber der relative Grad ihrer Beteiligung variiert nach dem Prinzip von Neuheit und Routine....[...]........

In den letzten Jahrzehnten ist die Spezialisierung der Hemisphären zu einem beliebten Thema in der populärwissenschaftlichen Literatur geworden. Es ist üblich geworden, über Therapien der rechten und linken Hemisphäre zu reden, über Merkmale der rechten und linken Hemisphäre und über Persönlichkeiten, die von der rechten oder linken Hemisphäre geprägt sind. Aber dabei muss man beachten, dass die beiden Hemisphären mehr miteinander verbindet als sie voneinander unterscheidet. Die Instrumentalisten, die auf ähnlichen Positionen auf den beiden Seiten des Orchesters sitzen, spielen ähnliche Instrumente. Die Spezialisierung der beiden Hemisphären ist lediglich eine Doppelvariation über dasselbe Thema. (Zitat S.82,83 - Hervorhebungen von mir)
Leider hält sich der Lateralisationsmythos - trotz anderslautender Ergebnisse aus der Hirnforschung - hartnäckig in den Köpfen von Wissenschaftlern und an der Wissenschaft interessierten Menschen.

Wer wissenschaftliche Erklärungen aus der Sehforschung für das Verständnis optischer Illusionen sucht, wird bei Michael Bach fündig ;-)

Donnerstag, 6. März 2008

Was ist Hochbegabung? Hochbegabung ist das, was Wissenschaftler definieren....

(Hochbegabung im Titelthema von Gehirn & Geist Heft 3/3008)
Verhaltensauffälligkeiten und Hochbegabung

Dass Hochbegabung zu Verhaltensauffälligkeiten und Schulversagen führen kann, ist ein gerne bedientes Klischee und zahlreiche Eltern vermuten just auch eine versteckte Hochbegabung hinter all den leidigen Schwierigkeiten.

Allerdings scheint einzig gesichert zu sein, dass hoch begabte Schülerinnen und Schüler genauso häufig von Verhaltensauffälligkeiten betroffen oder bedroht sind wie andere Kinder auch. Das heißt, dass Hochbegabung nicht überzufällig häufig zusammen mit bestimmten Formen von Verhaltensauffälligkeiten auftritt (vgl. ROST, 2000[1]; HELLER, 2001[2]; HANY, 2002[3]).
Jedoch fällt es Eltern und Lehrkräften immer noch schwer, wenn dann tatsächlich bei ihrem Kind /Schüler(in) Hochbegabung und Schulversagen resp. Verhaltensauffälligkeit zusammen auftritt. So dürfte das eine oder andere Kind tatsächlich sich als Versager fühlen oder gar eine gescheiterte Schulkarriere hinter sich haben. Daher ist Aufklärung so enorm wichtig.

Besondere Leistungen bedeuten nicht immer das Vorhandensein einer Hochbegabung
Obwohl vermutet wird, dass nur zwischen 2 und 5 Kinder eines Jahrgangs tatsächlich hochbegabt sind, wird hinter allen möglichen besonderen Leistungen oft auch vorschnell eine Hochbegabung angenommen.

Problem: Was Hochbegabung ist, wird von Wissenschaftlern unterschiedlich definiert
Leider gibt es nach wie vor unterschiedliche Definitionen zur Hochbegabung:

1. Mehrheitlich werden weit gefasste Vorstellungen vertreten:
Weit gefasste Vorstellungen von Hochbegabung beziehen auch spezifische Begabungsschwerpunkte in das Konstrukt mit ein. Doch gibt es auch unter den weit gefassten Vorstellungen noch Variationen:
Beispiel einer "weiten" Fassung der "Hochbegabung": http://www.logios.de/hochbegabung.htm
und ein Hinweis, wie viele "Hochbegabungs-Definitionen" untereinander konkurrieren:
Landesverband Hochbegabung Baden-Württemberg e.V.: Was ist Hochbegabung? Im Wikipedia-Artikel zur Hochbegabung werden die verschiedenen Sichtweisen erläutert: Wikipedia "Hochbegabung" (Fassung 02.03.2008) und im zugehörigen Artikel zur Intelligenzmessung auf die Grenzen der Diagnostik hingewiesen: Ausführlich im Skript der Sendung „Planet Wissen“: INTELLIGENZMESSUNG

Zur Situation in der Hochbegabungsforschung: "Gehirn, Geist und Genie -Perspektiven der Hochbegabtenforschung" - Sendung vom 15.02.2006 (BR Alpha) - Gespräch mit Vertretern der Hochbegabungsforschung

Kritischer Text zur Hochbegabung: PDF-Datei: „Begabungsförderung macht Schule“.

Das Checklisten-Problem:
Letztendlich können nur Personen mit ausreichend diagnostischen Kenntnissen, Hochbegabung feststellen. Denn alle Kinder zeigen im Laufe ihrer Entwicklung besondere Fähigkeiten, ohne dass sie deshalb hochbegabt wären.

Zitat zum Stichwort "Hochbegabung" aus dem Lexikon der Psychologie auf CD-ROM
(Heidelberg, Spektrum-Akademischer Verlag GmbH, 2002)

Im Gegensatz zu eindimensionalen (IQ-basierten) Hochbegabungskonzepten in der Vergangenheit, hat sich die Hochbegabungsforschung spätestens seit den 80er Jahren "vom IQ verabschiedet" (Gardner). Demgegenüber wird in der diagnostischen Praxis nicht selten noch an theoretisch überholten IQ-Definitionen von Hochbegabung festgehalten. Dies ist um so erstaunlicher, als in den letzten 20 Jahren fast ausschließlich mehrdimensionale oder typologische bzw. klassifikatorische Hochbegabungsmodelle publiziert worden sind. Diese beschreiben und erklären Hochbegabung im eingangs definierten Sinne weitaus angemessener als eindimensionale Modelle, vor allem wenn man die Bereichsspezifität der meisten Hochbegabungen anerkennt. Folgerichtig werden heute unterschiedliche (sprachliche, mathematische, musikalische, soziale, motorische usw.) Begabungsformen in den aktuellen Hochbegabungsmodellen konzipiert (Heller, Mönks & Passow, 1993). Diese Feststellung bezieht sich sowohl auf explizite (wissenschaftliche) als auch auf implizite (subjektive) Hochbegabungskonzepte.

PDF-Vortrag zum Thema Hochbegabung - Veranschaulichung des "Hochbegabungskonzeptes"

2. Der psychometisch definierte Hochbegabungsbegriff - Hochbegabung wird durch die Intelligenztestung definiert (IQ > 130)

Das im Heft "Gehirn & Geist 3/2008 von Detlef Rost vertretene Hochbegabungs-Konzept zielt auf die mittels Intelligenztests messbare Intelligenz ab. Damit vertritt er jedoch ein einseitiges Konstrukt, welches vom aktuellen multidimensional angelegten Hochbegabungsbegriff abweicht.

Dadurch bleiben die - selbst im Wikipedia-Artikel - diskutierten sozioökonomischen Faktoren außen vor, obwohl diese unter Umständen einen nicht unerheblichen Einfluss auf Intelligenzmessungen haben können. Da Intelligenztests, insbesondere mit Schulleistungen hoch korrelieren, wird angenommen, dass hochintelligente - d.h. insbesondere Kinder aus unteren sozialen Schichten - durch das Raster fallen und unentdeckt bleiben.

Denn Intelligenztests korrelieren hauptsächlich nur mit Schulleistungen und werden aus diesem Grunde für objektiv, reliabel und valide angesehen.
Jedoch: Gerade jener Korrelationsfaktor - betrachtet man die Zusammenhänge von PISA-Ergebnissen und Schülern mit Migrationshintergründen - lassen reine Intelligenzmessungen zur Feststellung von Hochbegabungen für ungeeignet erscheinen.

siehe:
Probekapitel aus dem Handbuch der Pädagogischen Psychologie - Hogrefe Verlag - 2008
Intelligenz und Kreativität: Was ist Intelligenz?

Vorteile des "psychometrischen Ansatzes": Eindeutigkeit und leichte Messbarkeit
Der von Detlev Rost vertretene so genannte „psychometrische“ Ansatz hat für die Forscher einige Vorteile:
Damit kann Detlev Rost im Geist & Gehirn-Beitrag einen klaren Hochbegabungsbegriff mit eindeutigen Beziehungen zu Intelligenztestungen vertreten. Ebenso werden dadurch einseitige "Begabungsbereiche" ausgeschlossen.

Nachteile: Ausschluss sozialer und anderer Aspekte
Der Hochbegabungsbegriff von Detlef Rost ist damit klar und eindeutig umrissen und mit dem Nachteil verbunden, dass er nur einen Ausschnitt der „sozialen Realität“ erforscht und umschreibt.

Die Begriffsproblematik des Konstruktes "Hochbegabung" resultiert aus den unterschiedlichen Sichtweisen der einzelnen Wissenschaftsdiszipline und deren Teilgebiete. Detlef Rost vertritt einen, - für Psychologen, welche sich insbesondere dem Bereich der Testdiagnostik gewidmet haben -, verständlichen und typischen Standpunkt: es gilt, was klar gemessen werden kann. So genannte "weiche Faktoren", welche - ähnlich einem Arzt-Patient-Gespräch - nur über "anamnestische" Befragungen ermittelt werden können sind oft stark vom "Versuchsleiter" abhängig und werden daher von psychometrischen "Hardlinern" eher ausgeschlossen. Andere - aus sozialpsychologischen Studien resultierende Ergebnisse bleiben - aufgrund einer gewissen "Fachblindheit" ebenfalls außen vor.

Wenn man das Konzept des Elefanten als Untersuchungsgegenstand hernimmt, dann sitzt der Psychometriker am Kopf des Elefanten und studiert seine "Denkreaktionen" ;-)). Dabei geraten andere (Umgebungs-)Faktoren diesem Forscher erst gar nicht in sein Blickfeld.

Ähnlich, wie in der Medizin im Falle des Konstrukts "Krankheit", verfährt Detlef Rost in der Psychologie mit dem Konstrukt "Hochbegabung":
Eine bestimmte Krankheit hat demnach nur jemand, wenn z.B.bestimmte Blutwerte, Lungenfunktions- oder andere messbare Werte in Erscheinung treten. (Evidenzbasierte Medizin)

So werden z.B. Schweregrade eines Asthmaanfalles in Blutdruckwerten, Atemfrequenzen und per Sauerstoffgehalt des Blutes gemessen. Haben Patienten sog. Asthmatrainings erfolgreich durchlaufen und können lange Zeit während eines Anfalles Ruhe bewahren, so können sie sehr lange die Atemfrequenzen, Blutdruckwerte und den Sauerstoffgehalt ihres Blutes noch unter Kontrolle halten. Ergebnis: ein schwerer Anfall wird fälschlicherweise als "leicht" eingestuft......

Dieses Problem hat auch ein überzeugter "Psychometriker". Er verlässt sich auf Messkonstrukte und übersieht zahlreiche Einflussfaktoren, welche damit nicht gemessen werden können, oder welche durch bestimmte äußere Einflüsse besonders negative oder positive Ergebnisse hervorrufen .

Inhaltsverzeichnis + Reinblättern
http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/912546

Kurzinfo: Hochbegabung
http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/941099

Kurioses zum Thema am Rande:
Wer nach dem Stichwort "Hochbegabung" googelt, bekommt auf einen Schlag 278.000 Ergebnisse. Diese Zahl entspricht annähernd der von manchen geschätzten Anzahl an Hochbegabten in Deutschland, d.h. für jeden Hochbegabten gäbe es unter Google 1 Treffer ;-)) - Der Begriff "Hochbegabungsforschung" ergibt hingegen nur 735 Treffer.....wobei im Detail viele Treffer tatsächlich nichts mit der Hochbegabungsforschung zu tun haben....

FAZIT:
Einigkeit besteht über verschiedene Einflussfaktoren auf das Intelligenz- und Hochbegabungskonstrukt. Ein gemeinsamer interdisziplinärer Ansatz mit entsprechend erweiterten diagnostischen Definitionen und Messmöglichkeiten ist längst überfällig.
Letztendlich können nur Personen mit ausreichend diagnostischen Kenntnissen, Hochbegabung feststellen. Denn alle Kinder zeigen im Laufe ihrer Entwicklung besondere Fähigkeiten, ohne dass sie deshalb hochbegabt wären.

Das Thema "Hochbegabung" aus neurowissenschaftlicher Sicht wird im Blog Neurowissenschaften behandelt:Hirnforschung und das Konzept der Hochbegabung - Drei Hirnforscher und zwei "Ansichten"


[1] ROST, D.H. (Hrsg.): Hochbegabte und hochleistende Jugendliche: neue Ergebnisse aus dem Marburger Hochbegabtenprojekt. Münster 2000
[2] HELLER, K.A. (Hrsg.): Hochbegabung im Kindes- und Jugendalter. Göttingen 2001
[3] HANY, E.A.: Mathematisch-naturwissenschaftliche Spezialklassen: Wie findet man geeignete Schüler? In: Wagner, H. (Hrsg.): Begabtenförderung und Lehrerbildung. Bad Honnef 2002, 261-271

Nachtrag: Weiterführende Links:

FAZ: Interview mit Psychologe Detlev Rost: Vom Recht der Hochbegabten, nicht ständig gefördert zu werden


Montag, 3. März 2008

Brain-Jogging macht jung und hält fit ...so verspricht die Werbung ;-)

Nicht wir Menschen, sondern das "Gehirn" geht joggen. Ein "neuer" Trend erfasst die Fitness-Generation.

Betrachtet man die vielfältigen Angebote und die damit verbundenen Versprechungen, so könnte man zu dem Schluß gelangen, dass wir bisher unser Gehirn, d.h. uns selbst unterfordert haben! Die VHS in Burladingen verspricht Jugendlichkeit mittels "Brain-Jogging". Hoch gesteckte Ziele wie "Sinnesschulung, Gedächtnistraining, Förderung der Kreativität, neue Techniken in den Alltag umsetzen", sollen damit erreicht werden.

Noch mehr Ziele möchte das "Brain-Jogging- Angebot" im Wellnessurlaub erreichen:

" Die tägliche Herausforderung beeinflusst den Status der Intelligenz - belegen ausführliche wissenschaftliche Tests.[...]"Brainjogging", das Training des Gehirns durch Denkaufgaben, Wissenstests, etc. hilft beim täglichen Entscheiden, Erinnern, Ordnen, Entdecken und Sortieren. Brain-Training wird zum Beispiel im 4-Stern Kurhotel Bad Leonfelden angeboten!"
Haben Sie heute schon "gehirn-gejoggt" ? so tönt es aus verschiedenen Gesundheitsmedien. Und was steckt dahinter? Macht es wirklich jung und fit? Wie lernen wir tatsächlich? Lohnt sich diese Form des Joggings oder sitzen wir hier nur einem neuen "Modetrend" auf.
Um diese Frage zu beantworten, muss man wissen, wie unser Gehirn, - in diesem Falle das Arbeitsgedächtnis - selbstverständlich "wissenschaftlich belegt" funktioniert :

Unser "Arbeitsgedächtnis":
Das Arbeitsgedächtnis behält Informationen für eine kurze Zeitspanne. Diese Fähigkeit ist individuell verschieden. Sie hängt davon ab, inwieweit die jeweilige Person in der Lage ist, wichtige Informationen von unwichtigen Informationen zu trennen bzw. von der Fähigkeit Informationen zu "bündeln" (= chunking).

Filterung von Informationen:
Unsere Wahrnehmung filtert vorab Informationen. Hier wird entschieden, was im Gehirn ankommt und was nicht. Weiter benötigt man ein ausreichendes Vorwissen um relevante Informationen von nicht relevanten Informationen zu trennen. Je mehr das Wissen dabei in Kategorien gespeichert ist, um so leichter fällt die Filterung von relevanten Informationen.
Informationen zusammen fassen (bündeln)
Die Fähigkeit, Informationen zu bündeln (chunking) hängt davon ab, inwieweit immer wiederkehrende Gedächtnisprozesse bereits automatisiert ablaufen, so dass für diese Aufgaben kein Arbeitsspeicher mehr benötigt wird.

Störungen des Arbeitsgedächtnisses können die Informationsaufnahme behindern oder einschränken. Seine möglichen Ursachen:
- mangelnde Lerngelegenheiten
- Intelligenzschwäche
- körperliche Störungen
- emotionale Störungen
- grundegende spezifische neurobiologische Störungen (z.B. ADHS)
Die Steuerung des Arbeitsgedächtnisses:
.... ist außerdem auch eine Frage der Impulssteuerung, d.h. der adäquaten Aufmerksamkeitssteuerung. Hyperaktive Kinder haben Schwierigkeiten ihre Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt bzw. eine bestimmte Sache zu lenken. Die in der Umwelt ständig angebotene Reizvielfalt und die Unfähigkeit hier gezielt auszuwählen, führt bei ADHS-Kindern zu einer Reizüberflutung.

Training des Arbeitsgedächtnisses:
Man betrachtete das Arbeitsgedächtnis ursprünglich als fixe Größe. Das Verdienst von Klingberg und Kollegen ist der Nachweis, dass das Arbeitsgedächtnis keine fixe Größe ist und trainiert werden kann. Die Studien von Klingberg et al. belegen, dass das Training des Arbeitsgedächtnisses zu einem "lebenslangen Grundprinzip" werden könnte.

Was sagt nun diese Studie aus. Stimmen also die Versprechen der Veranstalter?
Die Antwort lautet ja und nein:
Ein Ja zur Frage, ob das Gedächtnis "trainiert" werden kann. Nein zur Frage, ob damit speziell das Entscheiden, Erinnern, Ordnen, Entdecken und Sortieren trainiert werden.
Der Grund liegt darin, dass das Arbeitsgedächtnis zwar trainiert werden kann, jedoch die hierfür verwendeten Aufgaben in der Regel gleichförmige "Gedächtnisaufgaben" sind und eben auch nur diese Form von Aufgaben damit geübt werden können. In diesem Falle beschränkt sich der Erfolg nämlich nur auf das in der Psychologie so genannte "bereichsspezifische" Wissen, d.h. es wird "nur" das gelernt, was auch geübt wird.

Ein ("altes") Beispiel aus der Schule:
Jede Mathematikstunde beginnt Lehrer Lämple mit Übungen aus dem 1x1. Fünf Minuten lang stellt er verschiedene Aufgaben aus dem 1 x 1.Er achtet darauf, dass alle Schüler mitmachen. Diese tägliche Übung, modern ausgedrückt "Gehirnjogging" sorgt dafür, dass die Schüler das Einmaleins nach einiger Zeit quasi "im Schlaf" beherrschen. Wenn Lehrer Lämple aber erwartet, dass seine Schüler damit auch die weiterführenden Textaufgaben besser lösen können, wird er enttäuscht sein. Gesonderte 1x1-Aufgaben aber werden zeigen, dass seine Übungen Erfolg hatten.

Um größere Erfolge in größeren Bereichen zu erzielen bedarf es ebenfalls ganz spezieller Übungen. D.h. je höher die Ziele gesteckt werden, um so schwieriger und komplexer müssen dann auch die "Gehirnjogging"-Aufgaben sein. Klingberg und Kollegen haben solch spezielle Übungen für Schüler entwickelt:

Vorläufige Ergebnisse der Studien von Klingberg et al. Zitat:
"Erste Daten suggerieren, dass das Arbeitsgedächtnistraining das Leseverständnis verbessert, wie auch die Fähigkeit mathematische Problemstellungen zu lösen...[....]Die Trainingsmethode wird laufend verbessert. Dies geschieht, indem wir Effekte von Veränderungen des gegenwärtigen Trainingsprogramms auswerten. Zudem erweitern wir die vorliegende Datenbank fortlaufend mit allen Daten aus Studien und klinischen Arbeiten. Die Analyse der Datenbank ermöglicht es uns, unser Wissen um effektivere Lernstrategien von Kindern und Erwachsenen zu vertiefen."
Ausführlicher Bericht über die Studien von Klingberg et. al.: hier
Hinweis: Die Art der Quellenangabe impliziert nicht eine Befürwortung des dort beworbenen Produktes (die Produkte sind der Autorin nämlich nicht bekannt)
Klingberg T, Fernell E, Olesen P, Johnson M, Gustafsson P, Dahlström K, Gillberg CG, Forssberg H, Westerberg H (2005), Computerized Training of Working Memory in Children with ADHD – a
Randomized, Controlled, Trial. J American Academy of Child and Adolescent Psychiatry 44 (2):177-186.

FAZIT: Besser etwas als gar nichts zu trainieren. Allerdings gibt es auch preiswertere
Möglichkeiten, als die oben genannten z.B.:
"Das Fitness-Programm für Konzentration und Gedächtnis" für 19,95 €
Nähere Informationen dazu: hier

Sonntag, 24. Februar 2008

;-)) Wie entwirft man eine populäre Lerntechnik? Eine Anleitung ;-))

Zunächst brauchst Du einzelne wissenschaftliche Forschungsergebnisse. Ideal sind solche, welche wissenschaftliche Studienergebnisse markant zusammenfassen und eine eindeutige Wirkungsbeziehung herstellen.(Kurzmitteilungen aus Tageszeitungen, Newstickers etc.) Eben im Sinne von: wenn man das tut, dann hat man diese Wirkung. Einige solcher Annahmen bilden dann das "wissenschaftlich begründete Theoriegebäude" unserer neuen Lerntechnik.


In einem
zweiten Schritt ist dann Deine Kreativität gefragt:
Du brauchst Ideen für kreative Übungen, um die vorherige "wissenschaftliche" Theorie nun im Alltag umsetzen zu können. Grundprinzip ist hier, dass diese Übungen nicht überladen werden, d.h. sie müssen überschaubar sein, irgendwie einer gewissen Logik folgend........

In einem dritten Schritt baust Du daraus ein übersichtliches System:
  • 1. Theoretische Begründung
  • 2. Deine kreativen Schlussfolgerungen
  • 3. Deine Übungen
Diesen letzten "Baustein" setzt Du dann anhand der verschiedenen einzelnen Theoriesätze zusammen. Achte darauf, dass nicht mehr als 5-7 "Bausteine" in Deiner Lerntechnik enthalten sind. Diese Zahl entspricht der Menge an Informationen, welche das menschliche Gedächtnis in einem Durchgang aufnehmen kann.

Wichtiger Hinweis: Deine Lerntechnik sollte so aufgebaut sein, dass sie für den Konsumenten leicht zu verstehen ist und mittels Ihrer theoretischen Begründungen absolut logisch erscheint. Kritiker verweist Du auf die zugrunde liegenden Studien, allzu detaillierte Angaben sollten aber vermieden werden. Auch sollte unerwähnt bleiben, dass manche Deine theoretischen Grundannahmen in der Wissenschaft bereits widerlegt oder gar umstritten sind.

Vierter Schritt:
Zuletzt brauchst Du einen Patentanwalt. Gib Deinem System einen einprägsamen Namen, sichere Dir die Markenschutzrechte. Nun brauchst Du Anhänger Deiner Idee. Hole Dir Tipps von Marketingfachleuten, wie die neue "Lerntechnik" gekonnt vermarktet und Du möglichst viele Fans dafür gewinnen kannst.

So die neue Lerntechnik ist fertig. Deine Bestleistung ! Wichtig ist, dass Du von Deiner Idee absolut überzeugt bist und Deine neue Methode begeistert präsentieren kannst! Schaue Dir hierzu ein paar Videos von bekannten Motivationstrainern an........

Es geht los:
Versuche nun Deine Ideen zu "verkaufen". Sprich Schulleiter an, denn diese sind immer offen für neue Lernkonzepte, angesichts der scheinbar geringen Wirksamkeit der bislang umgesetzten Lerntechniken. Wenn Du diese auf Deiner Seite hast, kannst Du Deine Technik in der nächsten Lehrerkonferenzen vorstellen und die Lehrer dann zu einer Fortbildung zum "Einstiegspreis" bewegen. Gerade an dieser Stelle ist wichtig, dass Du Deine Ideen markenrechtlich eingetragen hast. Denn so etwas macht Eindruck.

Wenn dann die Sache läuft, kannst Du anfangen, selbst "Trainer" auszubilden und Dich nach und nach zurückziehen. Denn Du verdienst an der Trainerausbildung. Die Trainer bilden die Lehrer aus und wenn Du dann genug Trainer hast, dann können die mit einer weiteren teuren Fortbildung den Ausbilderlevel erreichen und bilden dann für Dich die "Trainer" aus.
Wenn Du soweit bist, dann ist Deine Rente sicher ;-))

Montag, 21. Januar 2008

Wie wir lernen: Was die Hirnforschung darüber weiß

Heute stelle ich Ihnen ein sehr interessantes Buch für Eltern, Erzieher und Lehrer vor. Dieses Buch fasst die aktuellen Erkenntnisse aus der Hirnforschung zusammen und beleuchtet ihre Bedeutung für Erziehung und Unterricht.

Sarah-Jayne Blakemore, Uta Frith

Wie wir lernen
Was die Hirnforschung darüber weiß

ISBN: 978-3-421-05922-2
€ 24,90 [D] / SFr 43,90 DVA Sachbuch, Februar 2006

Die Autorinnen vermitteln dem Leser auf leicht verständliche Weise einen Überblick zum Stand der Hirnforschung und ihre für Erziehung und Lernen bedeutsamen Ergebnisse. Die insbesondere von einzelnen Neuro- und Erziehungwissenschaftlern geweckten hohen Erwartungen an die Gehirnforschung werden anhand der vorhandenen Ergebnisse analysiert. Sie kommen zu dem Schluß, dass viele pädagogische Übertragungen einseitig, voreilig und ziemlich spekulativ sind. Dabei setzen sich die Autorinnen mit kontroversen Fragen zur Einschätzung der Forschungsergebnisse bzgl. der Gehirnentwicklung auseinander.

Kognitionspsychologin Elsbeth Stern stellt im Vorwort sehr treffend fest:

"In dem vorliegenden Buch gehen die neurowissenschaftliche und die psychologische Betrachtungsweise eine überaus gelungene Verbindung ein, und es kann allen empfohlen werden, die sich für menschliches Lernen interessieren, aber keine Heilsversprechen erwarten"
Interessante Beiträge aus "Wie wir lernen":

  • Entwicklung der Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeit
  • Gehirnprozesse, die mit Mathematik zu tun haben
  • Gehirnsysteme, die mit der Lesefähigkeit zu tun haben
  • das Lesenlernen, die Lese-Rechtschreib-Schwäche und zugehörige neurowissenschaftliche Erkenntnisse
  • Störungen der sozialen und emotionalen Entwicklung
  • der neurowissentschaftlich belegte Entwicklungsschub in der Adoleszenz
  • Lernen im Erwachsenenalter
  • Einblicke der Neurowissenschaften in die Natur des Lernens
  • welche Gehirnmechanismen liegen versch. Lernmethoden zugrunde
Besonderheiten:
  • gut verständlich
  • verzichtet weitgehend auf Fachjargon (besondere Begriffe werden im Glossar erläutert)
  • zieht wissenschaftlich fundiert eine Bilanz darüber, was die Neurowissenschaften der Pädagogik im Augenblick an Erkenntnissen zu bieten haben
  • ideales Buch für Einsteiger in das Thema Neurowissenschaften und Pädagogik

FAZIT:
Insbesondere für Eltern, Erziehern und Lehrern bietet das Buch wichtiges Hintergrundwissen. Es beleuchtet gleichzeitig sachlich die Möglichkeiten und Grenzen neurowissenschaftlichen Wissens für Erziehung und Unterricht und gibt hierzu einen gut verständlichen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung.

Aus der Hirnforschung bereits voreilig gezogene Schlußfolgerungen werden dabei relativiert und ihr tatsächlicher Gehalt präsentiert Einziger Nachteil: es fehlen im Buch und in der Literaturangabe die von den Autorinnen zugrunde gelegten Studien und Forschungsergebnisse.

Weitere Rezensionen:
Dr. Frank Ufen, Soziologe: hier
Heinz Horeis: hier
Arthur Thömmes, lehrerbibliothek.de: hier


Weitere Informationen:
zum Buch in meinem Blog Neurowissenschaften: hier
und in englischer Sprache: Informationen zu Forschungen und zur Autorin: hier