Freitag, 21. März 2008

Sehwahrnehmung - optische Täuschungen Forts.

Dieses Video fängt mit einer ähnlichen "kippenden" Sehwahrnehmung an, wie wir dies beim "Spinning girl" hatten. Im Video wird dazu einiges erklärt:

Optische Täuschungen - MyVideo

Die Welt der optischen Täuschungen ist rätselhaft und faszinierend zugleich. Sie zeigt uns auch zu welchen großen Leistungen alleine unsere visuelle Wahrnehmung (=Sehwahrnehmung) fähig ist. Wie wir ständig fehlende Informationen, welche durch die Zweidimensionalität auf dem Bildschirm oder dem Papier, ständig ergänzen, so dass wir das Bild in eine "real" wirkende räumliche Vorstellung bringen.

Andere Experimente im Video entstehen durch eine gewisse Trägheit unserer Nervenzellen im Sehsystem.
Zur Spirale erklärt Michael Bach:
http://www.michaelbach.de/ot/mot_adaptSpiral/index.html (engl.)
http://www.michaelbach.de/ot/mot_adaptSpiral/index-de.html(dt.)

Und hier noch das Experiment mit dem Farbpunkt:
http://www.michaelbach.de/ot/col_lilacChaser/index.html(engl.)
http://www.michaelbach.de/ot/col_lilacChaser/index-de.html(dt.)

Hinweis: Die englische Erklärung von Michael Bach ist um einiges ausführlicher ;-)

Das Geheimnis wird gelüftet: The spinning girl ;-)

Hier wird die Illusion mit Hilfslinien auf die verschiedenen Wahrnehmungsrichtungen "festgelegt": http://ofb.net/~whuang/imgs/spin/

Anbei findet man die ausführliche Erklärung zum "Spinning girl". Wie ich dabei feststellen musste, wurden hier Urheberrechte durch andere verletzt (da wohl das Copyright entfernt

(c) Nobuyuki Kayahara 2003

worden war) Das Original und die zugehörige Webseite: http://www.procreo.jp/labo/labo13.html. Michael Bach verweist auf die Herkunft des Originals und erklärt, wie diese optische Illusion funktioniert. Offenbar kann man selbst beeinflussen, in welcher Drehung man das Mädchen wahrnimmt.

Ausführliche Erklärung und weitere Links gibt es hier:
http://www.michaelbach.de/ot/sze_silhouette/index.html

Michael Bach:
Our brain tries to reconstruct the third dimension (space) from the flat image in our eyes, adding information which is usually realistic, but not really there. And in the case of a silhouette, there are two equally likely interpretations.
Unser Gehirn versucht die dritte (räumliche) Dimension des zweidimensionalen Bildes herzustellen. Dazu verwendet es Information welche zwar realistisch sind, aber vom zweidimensionalen Bild nicht geliefert werden. Es wird von unserem Erfahrungsschatz, d.h. der Vorstellung eines tanzenden Mädchens, automatisch ergänzt. Weil diese Ergänzung in unserem Gehirn "konstruiert" wird, gibt es auch zwei mögliche Interpretationen.

Außerdem räumt Michael Bach ebenfalls mit der seit ca. Mitte 2007 im Internet kursierenden Interpretation dieser optischen Illusion, als Ausdruck der sog. Lateralisationshypothese (d.h. die Behauptung unterschiedlicher Aufgaben der beiden Hirnhälften und der Dominanz einer Hemisphäre) auf.

Er hat selbst Versuche dazu gestartet und festgestellt, dass die Festlegung auf eine Richtung 50:50 unabhängig vom Geschlecht verteilt ist. Würde die Lateralisationshypothese zutreffen, müsste eine Richtung deutlich überwiegen ;-)

Leider wird diese optische Illusion immer wieder auch als Bestätigung der sog. "Hemisphärenlateralisation" des Gehirns herangezogen. Diese Annahmen finden allerdings in der aktuellen Hirnforschung keine Bestätigungen. Siehe auch:
The spinning girl oder was Wissenschaftler" aus einer optischen Illusion "basteln"

Samstag, 8. März 2008

The spinning girl oder was Wissenschaftler" aus einer optischen Illusion "basteln"

Quelle: (c) Nobuyuki Kayahara 2003 ( www.procreo.jp)
Diese optische Illusion darf, neben anderen "Beweisen" für die Existenz der sog. Lateralisationshypothese (angeblich völlig unterschiedliche Funktionen beider Hirnhälften) herhalten.
Schauen Sie sich die Bewegung lange genug an. Dreht sie sich im Uhrzeigersinn, oder gegen den Uhrzeigersinn? Die meisten Beobachter beantworten diese Frage mit einem "sowohl - als auch".
Allerdings nicht jedem scheint es so zu gehen und "schwupps" werden überholte "Hypothesen" wiederbelebt:
Rechte vs linke Gehirnhälfte

Keiner weiß woher, warum weshalb - nun es steht als Nachricht in der Online-Ausgabe der "Herald Sun". Können Kinesiologen und Freunde anderer, unter anderem kommerzieller Lernschulen, nun aufatmen?
Sehen Sie die Tänzerin in einer Drehung im Uhrzeigersinn oder gegen den Uhrzeigersinn?
Im Uhrzeigersinn -> Sie nutzen vor allem die rechte Gehirnhälfte
Gegen den Uhrzeigersinn -> Sie nutzen vor allem die linke Gehirnhälfte
(Zitat aus: Original: http://www.news.com.au/heraldsun/story/0,21985,22556281-661,00.html, sowie dt. Übersetzung hier: http://psychologie-news.stangl.eu/?p=120)

Wer mitmacht, kommt allerdings eher zu dem "Ergebnis", dass er beide Hirnhälften benutzt: denn nach einer Weile dreht sich die Figur auch in die andere Richtung.......Was ist geschehen?

Was bei dieser optischen Illusion innerhalb unserer beiden Hirnhälften geschieht, können nur weitere Forschungen zutage fördern......Im Augenblick ist es nichts mehr und nichts weniger als eine "Optische Illusion", denn erforscht wurde diesbezüglich noch nichts ;-)

Behauptung einer individuell dominierenden Hemisphäre samt Testung

Auch hier werden Annahmen über die Funktionsweise der Hirnhälten geäußert, welche allerdings mit wissenschaftlich belegten Ergebnissen nicht in Einklang stehen. Dem Erfindungsreichtum über das, was die rechte und linke Hirnhälfte angeblich unterscheidet und wie man dies therapiert, scheint keine Grenzen gesetzt. Wobei dann auf der Basis noch eine eigene Methode (Nathal-Methode) kreiert wird, welche sich sogar zu "Geistheilung", zu Gehirn-Kontakten mit Engeln, bei Lernstörungen etc. helfen soll.....
Auch hier wird wohl mehr der Wunsch zur Wirklichkeit: Darstellung einer angeblich klaren Aufgabenteilung der beiden Hemisphären
Auch hier gibt es eine vereinfachte Darstellung, wie angeblich die beiden Hirnhälften miteinander agieren und Aufgaben übernehmen
Hier wird auf eine deutliche Aufgabenteilung der beiden Hirnhälften abgestellt: klar und einfach
Und hier werden Informationen aus dem Internet zusammen getragen und daraus gleich pädagogische Schlußfolgerungen gezogen, begründet mit der Annahme, wie die beiden Gehirnhälften funktionieren könnten.
Das "Wissensarchiv" im Internet hält ebenfalls eine "abenteuerliche" Theorie bereit. Im Übrigen scheint dies eine Plattform zu sein, wo jeder, welcher sich dazu befähigt fühlt "Wissen" präsentiert .

Hierzu stehen die ausführlichen Recherchen zum Thema "Lateralisation" von Elkhonon Goldberg in völligem Widerspruch. Goldberg hat in seinem Buch zahlreiche Studien zusammengetragen und ausführlich referiert:


Elkhonon Goldberg
Die Regie im Gehirn
Wo wir Pläne schmieden und Entscheidungen treffen
ISBN 978-3-935767-04-0, 1. Aufl. 2002, 341 Seiten, 22 €
Verlagsinformationen zum Buch
Buchbesprechung
Die Regie im Gehirn - Wo wir Pläne schmieden und Entscheidungen treffen

Sein FAZIT mit "poetischem" Charakter:
"Das Orchester des Gehirns scheint in zwei Instrumentalisten-Gruppen aufgeteilt zu sein.

Die auf dem rechten Flügel sitzen, sind schneller, was die Aneignung eines neuen Repertoires angeht, aber auf lange Sicht betrachtet erlangen die Instrumentalisten auf der linken Seite, wenn sie entsprechend proben, eher den Zustand der Perfektion.
In der Analogie zu einem Wirtschaftskonzern besteht die Organisation des Gehirns aus zwei Abteilungen: eine beschäftigt sich mit neuen Projekten, die andere kümmert sich um eingeführte, bestehende Produktlinien.

Tatsächlich ist jede der beiden Hemisphären bei allen kognitiven Prozessen involviert, aber der relative Grad ihrer Beteiligung variiert nach dem Prinzip von Neuheit und Routine....[...]........

In den letzten Jahrzehnten ist die Spezialisierung der Hemisphären zu einem beliebten Thema in der populärwissenschaftlichen Literatur geworden. Es ist üblich geworden, über Therapien der rechten und linken Hemisphäre zu reden, über Merkmale der rechten und linken Hemisphäre und über Persönlichkeiten, die von der rechten oder linken Hemisphäre geprägt sind. Aber dabei muss man beachten, dass die beiden Hemisphären mehr miteinander verbindet als sie voneinander unterscheidet. Die Instrumentalisten, die auf ähnlichen Positionen auf den beiden Seiten des Orchesters sitzen, spielen ähnliche Instrumente. Die Spezialisierung der beiden Hemisphären ist lediglich eine Doppelvariation über dasselbe Thema. (Zitat S.82,83 - Hervorhebungen von mir)
Leider hält sich der Lateralisationsmythos - trotz anderslautender Ergebnisse aus der Hirnforschung - hartnäckig in den Köpfen von Wissenschaftlern und an der Wissenschaft interessierten Menschen.

Wer wissenschaftliche Erklärungen aus der Sehforschung für das Verständnis optischer Illusionen sucht, wird bei Michael Bach fündig ;-)

Donnerstag, 6. März 2008

Was ist Hochbegabung? Hochbegabung ist das, was Wissenschaftler definieren....

(Hochbegabung im Titelthema von Gehirn & Geist Heft 3/3008)
Verhaltensauffälligkeiten und Hochbegabung

Dass Hochbegabung zu Verhaltensauffälligkeiten und Schulversagen führen kann, ist ein gerne bedientes Klischee und zahlreiche Eltern vermuten just auch eine versteckte Hochbegabung hinter all den leidigen Schwierigkeiten.

Allerdings scheint einzig gesichert zu sein, dass hoch begabte Schülerinnen und Schüler genauso häufig von Verhaltensauffälligkeiten betroffen oder bedroht sind wie andere Kinder auch. Das heißt, dass Hochbegabung nicht überzufällig häufig zusammen mit bestimmten Formen von Verhaltensauffälligkeiten auftritt (vgl. ROST, 2000[1]; HELLER, 2001[2]; HANY, 2002[3]).
Jedoch fällt es Eltern und Lehrkräften immer noch schwer, wenn dann tatsächlich bei ihrem Kind /Schüler(in) Hochbegabung und Schulversagen resp. Verhaltensauffälligkeit zusammen auftritt. So dürfte das eine oder andere Kind tatsächlich sich als Versager fühlen oder gar eine gescheiterte Schulkarriere hinter sich haben. Daher ist Aufklärung so enorm wichtig.

Besondere Leistungen bedeuten nicht immer das Vorhandensein einer Hochbegabung
Obwohl vermutet wird, dass nur zwischen 2 und 5 Kinder eines Jahrgangs tatsächlich hochbegabt sind, wird hinter allen möglichen besonderen Leistungen oft auch vorschnell eine Hochbegabung angenommen.

Problem: Was Hochbegabung ist, wird von Wissenschaftlern unterschiedlich definiert
Leider gibt es nach wie vor unterschiedliche Definitionen zur Hochbegabung:

1. Mehrheitlich werden weit gefasste Vorstellungen vertreten:
Weit gefasste Vorstellungen von Hochbegabung beziehen auch spezifische Begabungsschwerpunkte in das Konstrukt mit ein. Doch gibt es auch unter den weit gefassten Vorstellungen noch Variationen:
Beispiel einer "weiten" Fassung der "Hochbegabung": http://www.logios.de/hochbegabung.htm
und ein Hinweis, wie viele "Hochbegabungs-Definitionen" untereinander konkurrieren:
Landesverband Hochbegabung Baden-Württemberg e.V.: Was ist Hochbegabung? Im Wikipedia-Artikel zur Hochbegabung werden die verschiedenen Sichtweisen erläutert: Wikipedia "Hochbegabung" (Fassung 02.03.2008) und im zugehörigen Artikel zur Intelligenzmessung auf die Grenzen der Diagnostik hingewiesen: Ausführlich im Skript der Sendung „Planet Wissen“: INTELLIGENZMESSUNG

Zur Situation in der Hochbegabungsforschung: "Gehirn, Geist und Genie -Perspektiven der Hochbegabtenforschung" - Sendung vom 15.02.2006 (BR Alpha) - Gespräch mit Vertretern der Hochbegabungsforschung

Kritischer Text zur Hochbegabung: PDF-Datei: „Begabungsförderung macht Schule“.

Das Checklisten-Problem:
Letztendlich können nur Personen mit ausreichend diagnostischen Kenntnissen, Hochbegabung feststellen. Denn alle Kinder zeigen im Laufe ihrer Entwicklung besondere Fähigkeiten, ohne dass sie deshalb hochbegabt wären.

Zitat zum Stichwort "Hochbegabung" aus dem Lexikon der Psychologie auf CD-ROM
(Heidelberg, Spektrum-Akademischer Verlag GmbH, 2002)

Im Gegensatz zu eindimensionalen (IQ-basierten) Hochbegabungskonzepten in der Vergangenheit, hat sich die Hochbegabungsforschung spätestens seit den 80er Jahren "vom IQ verabschiedet" (Gardner). Demgegenüber wird in der diagnostischen Praxis nicht selten noch an theoretisch überholten IQ-Definitionen von Hochbegabung festgehalten. Dies ist um so erstaunlicher, als in den letzten 20 Jahren fast ausschließlich mehrdimensionale oder typologische bzw. klassifikatorische Hochbegabungsmodelle publiziert worden sind. Diese beschreiben und erklären Hochbegabung im eingangs definierten Sinne weitaus angemessener als eindimensionale Modelle, vor allem wenn man die Bereichsspezifität der meisten Hochbegabungen anerkennt. Folgerichtig werden heute unterschiedliche (sprachliche, mathematische, musikalische, soziale, motorische usw.) Begabungsformen in den aktuellen Hochbegabungsmodellen konzipiert (Heller, Mönks & Passow, 1993). Diese Feststellung bezieht sich sowohl auf explizite (wissenschaftliche) als auch auf implizite (subjektive) Hochbegabungskonzepte.

PDF-Vortrag zum Thema Hochbegabung - Veranschaulichung des "Hochbegabungskonzeptes"

2. Der psychometisch definierte Hochbegabungsbegriff - Hochbegabung wird durch die Intelligenztestung definiert (IQ > 130)

Das im Heft "Gehirn & Geist 3/2008 von Detlef Rost vertretene Hochbegabungs-Konzept zielt auf die mittels Intelligenztests messbare Intelligenz ab. Damit vertritt er jedoch ein einseitiges Konstrukt, welches vom aktuellen multidimensional angelegten Hochbegabungsbegriff abweicht.

Dadurch bleiben die - selbst im Wikipedia-Artikel - diskutierten sozioökonomischen Faktoren außen vor, obwohl diese unter Umständen einen nicht unerheblichen Einfluss auf Intelligenzmessungen haben können. Da Intelligenztests, insbesondere mit Schulleistungen hoch korrelieren, wird angenommen, dass hochintelligente - d.h. insbesondere Kinder aus unteren sozialen Schichten - durch das Raster fallen und unentdeckt bleiben.

Denn Intelligenztests korrelieren hauptsächlich nur mit Schulleistungen und werden aus diesem Grunde für objektiv, reliabel und valide angesehen.
Jedoch: Gerade jener Korrelationsfaktor - betrachtet man die Zusammenhänge von PISA-Ergebnissen und Schülern mit Migrationshintergründen - lassen reine Intelligenzmessungen zur Feststellung von Hochbegabungen für ungeeignet erscheinen.

siehe:
Probekapitel aus dem Handbuch der Pädagogischen Psychologie - Hogrefe Verlag - 2008
Intelligenz und Kreativität: Was ist Intelligenz?

Vorteile des "psychometrischen Ansatzes": Eindeutigkeit und leichte Messbarkeit
Der von Detlev Rost vertretene so genannte „psychometrische“ Ansatz hat für die Forscher einige Vorteile:
Damit kann Detlev Rost im Geist & Gehirn-Beitrag einen klaren Hochbegabungsbegriff mit eindeutigen Beziehungen zu Intelligenztestungen vertreten. Ebenso werden dadurch einseitige "Begabungsbereiche" ausgeschlossen.

Nachteile: Ausschluss sozialer und anderer Aspekte
Der Hochbegabungsbegriff von Detlef Rost ist damit klar und eindeutig umrissen und mit dem Nachteil verbunden, dass er nur einen Ausschnitt der „sozialen Realität“ erforscht und umschreibt.

Die Begriffsproblematik des Konstruktes "Hochbegabung" resultiert aus den unterschiedlichen Sichtweisen der einzelnen Wissenschaftsdiszipline und deren Teilgebiete. Detlef Rost vertritt einen, - für Psychologen, welche sich insbesondere dem Bereich der Testdiagnostik gewidmet haben -, verständlichen und typischen Standpunkt: es gilt, was klar gemessen werden kann. So genannte "weiche Faktoren", welche - ähnlich einem Arzt-Patient-Gespräch - nur über "anamnestische" Befragungen ermittelt werden können sind oft stark vom "Versuchsleiter" abhängig und werden daher von psychometrischen "Hardlinern" eher ausgeschlossen. Andere - aus sozialpsychologischen Studien resultierende Ergebnisse bleiben - aufgrund einer gewissen "Fachblindheit" ebenfalls außen vor.

Wenn man das Konzept des Elefanten als Untersuchungsgegenstand hernimmt, dann sitzt der Psychometriker am Kopf des Elefanten und studiert seine "Denkreaktionen" ;-)). Dabei geraten andere (Umgebungs-)Faktoren diesem Forscher erst gar nicht in sein Blickfeld.

Ähnlich, wie in der Medizin im Falle des Konstrukts "Krankheit", verfährt Detlef Rost in der Psychologie mit dem Konstrukt "Hochbegabung":
Eine bestimmte Krankheit hat demnach nur jemand, wenn z.B.bestimmte Blutwerte, Lungenfunktions- oder andere messbare Werte in Erscheinung treten. (Evidenzbasierte Medizin)

So werden z.B. Schweregrade eines Asthmaanfalles in Blutdruckwerten, Atemfrequenzen und per Sauerstoffgehalt des Blutes gemessen. Haben Patienten sog. Asthmatrainings erfolgreich durchlaufen und können lange Zeit während eines Anfalles Ruhe bewahren, so können sie sehr lange die Atemfrequenzen, Blutdruckwerte und den Sauerstoffgehalt ihres Blutes noch unter Kontrolle halten. Ergebnis: ein schwerer Anfall wird fälschlicherweise als "leicht" eingestuft......

Dieses Problem hat auch ein überzeugter "Psychometriker". Er verlässt sich auf Messkonstrukte und übersieht zahlreiche Einflussfaktoren, welche damit nicht gemessen werden können, oder welche durch bestimmte äußere Einflüsse besonders negative oder positive Ergebnisse hervorrufen .

Inhaltsverzeichnis + Reinblättern
http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/912546

Kurzinfo: Hochbegabung
http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/941099

Kurioses zum Thema am Rande:
Wer nach dem Stichwort "Hochbegabung" googelt, bekommt auf einen Schlag 278.000 Ergebnisse. Diese Zahl entspricht annähernd der von manchen geschätzten Anzahl an Hochbegabten in Deutschland, d.h. für jeden Hochbegabten gäbe es unter Google 1 Treffer ;-)) - Der Begriff "Hochbegabungsforschung" ergibt hingegen nur 735 Treffer.....wobei im Detail viele Treffer tatsächlich nichts mit der Hochbegabungsforschung zu tun haben....

FAZIT:
Einigkeit besteht über verschiedene Einflussfaktoren auf das Intelligenz- und Hochbegabungskonstrukt. Ein gemeinsamer interdisziplinärer Ansatz mit entsprechend erweiterten diagnostischen Definitionen und Messmöglichkeiten ist längst überfällig.
Letztendlich können nur Personen mit ausreichend diagnostischen Kenntnissen, Hochbegabung feststellen. Denn alle Kinder zeigen im Laufe ihrer Entwicklung besondere Fähigkeiten, ohne dass sie deshalb hochbegabt wären.

Das Thema "Hochbegabung" aus neurowissenschaftlicher Sicht wird im Blog Neurowissenschaften behandelt:Hirnforschung und das Konzept der Hochbegabung - Drei Hirnforscher und zwei "Ansichten"


[1] ROST, D.H. (Hrsg.): Hochbegabte und hochleistende Jugendliche: neue Ergebnisse aus dem Marburger Hochbegabtenprojekt. Münster 2000
[2] HELLER, K.A. (Hrsg.): Hochbegabung im Kindes- und Jugendalter. Göttingen 2001
[3] HANY, E.A.: Mathematisch-naturwissenschaftliche Spezialklassen: Wie findet man geeignete Schüler? In: Wagner, H. (Hrsg.): Begabtenförderung und Lehrerbildung. Bad Honnef 2002, 261-271

Nachtrag: Weiterführende Links:

FAZ: Interview mit Psychologe Detlev Rost: Vom Recht der Hochbegabten, nicht ständig gefördert zu werden


Montag, 3. März 2008

Brain-Jogging macht jung und hält fit ...so verspricht die Werbung ;-)

Nicht wir Menschen, sondern das "Gehirn" geht joggen. Ein "neuer" Trend erfasst die Fitness-Generation.

Betrachtet man die vielfältigen Angebote und die damit verbundenen Versprechungen, so könnte man zu dem Schluß gelangen, dass wir bisher unser Gehirn, d.h. uns selbst unterfordert haben! Die VHS in Burladingen verspricht Jugendlichkeit mittels "Brain-Jogging". Hoch gesteckte Ziele wie "Sinnesschulung, Gedächtnistraining, Förderung der Kreativität, neue Techniken in den Alltag umsetzen", sollen damit erreicht werden.

Noch mehr Ziele möchte das "Brain-Jogging- Angebot" im Wellnessurlaub erreichen:

" Die tägliche Herausforderung beeinflusst den Status der Intelligenz - belegen ausführliche wissenschaftliche Tests.[...]"Brainjogging", das Training des Gehirns durch Denkaufgaben, Wissenstests, etc. hilft beim täglichen Entscheiden, Erinnern, Ordnen, Entdecken und Sortieren. Brain-Training wird zum Beispiel im 4-Stern Kurhotel Bad Leonfelden angeboten!"
Haben Sie heute schon "gehirn-gejoggt" ? so tönt es aus verschiedenen Gesundheitsmedien. Und was steckt dahinter? Macht es wirklich jung und fit? Wie lernen wir tatsächlich? Lohnt sich diese Form des Joggings oder sitzen wir hier nur einem neuen "Modetrend" auf.
Um diese Frage zu beantworten, muss man wissen, wie unser Gehirn, - in diesem Falle das Arbeitsgedächtnis - selbstverständlich "wissenschaftlich belegt" funktioniert :

Unser "Arbeitsgedächtnis":
Das Arbeitsgedächtnis behält Informationen für eine kurze Zeitspanne. Diese Fähigkeit ist individuell verschieden. Sie hängt davon ab, inwieweit die jeweilige Person in der Lage ist, wichtige Informationen von unwichtigen Informationen zu trennen bzw. von der Fähigkeit Informationen zu "bündeln" (= chunking).

Filterung von Informationen:
Unsere Wahrnehmung filtert vorab Informationen. Hier wird entschieden, was im Gehirn ankommt und was nicht. Weiter benötigt man ein ausreichendes Vorwissen um relevante Informationen von nicht relevanten Informationen zu trennen. Je mehr das Wissen dabei in Kategorien gespeichert ist, um so leichter fällt die Filterung von relevanten Informationen.
Informationen zusammen fassen (bündeln)
Die Fähigkeit, Informationen zu bündeln (chunking) hängt davon ab, inwieweit immer wiederkehrende Gedächtnisprozesse bereits automatisiert ablaufen, so dass für diese Aufgaben kein Arbeitsspeicher mehr benötigt wird.

Störungen des Arbeitsgedächtnisses können die Informationsaufnahme behindern oder einschränken. Seine möglichen Ursachen:
- mangelnde Lerngelegenheiten
- Intelligenzschwäche
- körperliche Störungen
- emotionale Störungen
- grundegende spezifische neurobiologische Störungen (z.B. ADHS)
Die Steuerung des Arbeitsgedächtnisses:
.... ist außerdem auch eine Frage der Impulssteuerung, d.h. der adäquaten Aufmerksamkeitssteuerung. Hyperaktive Kinder haben Schwierigkeiten ihre Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt bzw. eine bestimmte Sache zu lenken. Die in der Umwelt ständig angebotene Reizvielfalt und die Unfähigkeit hier gezielt auszuwählen, führt bei ADHS-Kindern zu einer Reizüberflutung.

Training des Arbeitsgedächtnisses:
Man betrachtete das Arbeitsgedächtnis ursprünglich als fixe Größe. Das Verdienst von Klingberg und Kollegen ist der Nachweis, dass das Arbeitsgedächtnis keine fixe Größe ist und trainiert werden kann. Die Studien von Klingberg et al. belegen, dass das Training des Arbeitsgedächtnisses zu einem "lebenslangen Grundprinzip" werden könnte.

Was sagt nun diese Studie aus. Stimmen also die Versprechen der Veranstalter?
Die Antwort lautet ja und nein:
Ein Ja zur Frage, ob das Gedächtnis "trainiert" werden kann. Nein zur Frage, ob damit speziell das Entscheiden, Erinnern, Ordnen, Entdecken und Sortieren trainiert werden.
Der Grund liegt darin, dass das Arbeitsgedächtnis zwar trainiert werden kann, jedoch die hierfür verwendeten Aufgaben in der Regel gleichförmige "Gedächtnisaufgaben" sind und eben auch nur diese Form von Aufgaben damit geübt werden können. In diesem Falle beschränkt sich der Erfolg nämlich nur auf das in der Psychologie so genannte "bereichsspezifische" Wissen, d.h. es wird "nur" das gelernt, was auch geübt wird.

Ein ("altes") Beispiel aus der Schule:
Jede Mathematikstunde beginnt Lehrer Lämple mit Übungen aus dem 1x1. Fünf Minuten lang stellt er verschiedene Aufgaben aus dem 1 x 1.Er achtet darauf, dass alle Schüler mitmachen. Diese tägliche Übung, modern ausgedrückt "Gehirnjogging" sorgt dafür, dass die Schüler das Einmaleins nach einiger Zeit quasi "im Schlaf" beherrschen. Wenn Lehrer Lämple aber erwartet, dass seine Schüler damit auch die weiterführenden Textaufgaben besser lösen können, wird er enttäuscht sein. Gesonderte 1x1-Aufgaben aber werden zeigen, dass seine Übungen Erfolg hatten.

Um größere Erfolge in größeren Bereichen zu erzielen bedarf es ebenfalls ganz spezieller Übungen. D.h. je höher die Ziele gesteckt werden, um so schwieriger und komplexer müssen dann auch die "Gehirnjogging"-Aufgaben sein. Klingberg und Kollegen haben solch spezielle Übungen für Schüler entwickelt:

Vorläufige Ergebnisse der Studien von Klingberg et al. Zitat:
"Erste Daten suggerieren, dass das Arbeitsgedächtnistraining das Leseverständnis verbessert, wie auch die Fähigkeit mathematische Problemstellungen zu lösen...[....]Die Trainingsmethode wird laufend verbessert. Dies geschieht, indem wir Effekte von Veränderungen des gegenwärtigen Trainingsprogramms auswerten. Zudem erweitern wir die vorliegende Datenbank fortlaufend mit allen Daten aus Studien und klinischen Arbeiten. Die Analyse der Datenbank ermöglicht es uns, unser Wissen um effektivere Lernstrategien von Kindern und Erwachsenen zu vertiefen."
Ausführlicher Bericht über die Studien von Klingberg et. al.: hier
Hinweis: Die Art der Quellenangabe impliziert nicht eine Befürwortung des dort beworbenen Produktes (die Produkte sind der Autorin nämlich nicht bekannt)
Klingberg T, Fernell E, Olesen P, Johnson M, Gustafsson P, Dahlström K, Gillberg CG, Forssberg H, Westerberg H (2005), Computerized Training of Working Memory in Children with ADHD – a
Randomized, Controlled, Trial. J American Academy of Child and Adolescent Psychiatry 44 (2):177-186.

FAZIT: Besser etwas als gar nichts zu trainieren. Allerdings gibt es auch preiswertere
Möglichkeiten, als die oben genannten z.B.:
"Das Fitness-Programm für Konzentration und Gedächtnis" für 19,95 €
Nähere Informationen dazu: hier